Sperlinge finden kein Korn mehr – Edisonstraße in Berlin

Es ist bekannt, dass Sperlingen mehr und mehr die Nahrungsgrundlagen fehlen. Die Effizienz der Landwirtschaft lässt kaum noch Korn auf den Feldern zurück. Auf den Straßen Berlins fahren keine Pferdefuhrwerke mehr, von deren Hinterlassenschaften und den unverdauten Bestandteilen die Sperlinge profitierten. Nun aber ist die Edisonstraße gesperrt. Nicht einmal Straßenbahnen fahren mehr, aus denen die Partygänger und Nachtschwärmer auf die Straße fielen und flüssiges Korn verschütteten.

Ein schwarzer Schatten wirft sich auf die Existenz der Sperlinge an der Edisontraße.

Entdeckungen – unbekannte Insekten

Es ist skandalös, wie die Autoren der Bestimmungsbücher mit manchen Insekten umgehen: diskriminierend. Die Insekten in diesem Beitrag finde ich in meinem Kosmos-Insektenführer gar nicht. Sie sind deshalb nichts besonderes, sondern wohl allzu gewöhnlich. Mir waren sie bislang unbekannt. Ich entdeckte sie, während ich etwas anderes im Sinn hatte. Ich ging am Ufer des Kietzer Sees entlang und obwohl ich seit einer halben Stunde in eine Richtung ging, kam es mir vor als ging ich im Kreis, da eine Gruppe Gänseblümchen mir zehn Minuten zuvor schon einmal aufgefallen war. Ich war über ein Deja-Vu gestoplert und fand den Stolperkäfer.

Später folgte ich dem Zwitschern der Feldlerchen über eine Heidefläche. Falter, so grau wie unscheinbar, flogen unter meinen Schritten auf und waren doch nicht grau. Klee- oder Gitterspanner werden sie genannt.

Unbedacht den Feldlerchen folgend stobte eine Gruppe Graugänse auf. Ich störte also das Gepräge der Heide und zog mich ins Unterholz zurück. Ein Rückzugsort für eine Pause. Dort sah ich, beide mit anderen Angelegenheiten beschäftigt, den Zangenkäfer.

Der war sehr in Eile und hielt nicht still, flog davon und ich stand allein im Wald. Auf einer Lichtung umschwirrte mich die Falkenlibelle.

Zum Ende meines Spazierganges traf ich endlich jemand bekanntes: Einen C-Falter.

Malchower See in Berlin – Wie ich das Augenduell mit dem Ganter gewann

Der Malchower See im Nordosten von Berlin liegt irgendwo zwischen Reihenhäusern, Plattenbauten, Schulhöfen und Kleingartenkolonien. Klingt nicht nach Natur. Die ersten Vögel die mir vor die Linse schwimmen sind dann Schellenten, die ich in Berlin noch nicht gesehen habe. Von meiner Vogelführung an der Müritz im letzten Jahr weiß ich noch, dass Schellenten als Nistplätze die Bruthöhlen von Schwarzspechten bevorzugen.

Kalt wie das Blau des Wassers war auch dieser Apriltag. Nachts Frost, morgens zwar Sonne, aber im Schatten zum Frieren. Aus dem Schatten heraus bedrohte mich ein Einwohner mit breiter Brust.

Ich war dankbar für seine Aufmerksamkeit und zog mich zwei Meter zurück. Seine Familie wurde neugierig. Ich schloss Bekanntschaft.

Ich wollte sie nicht weiter stören und zog von dannen. Die meisten Vögel entzogen sich aber meinem Objektiv. Ich schaute mir sehnsüchtig auf der Informationstafel an, was es zu sehen geben könnte.

cof

Eine fette Katze streunte gemächlich über eine Wiese hin zu grasenden Schafen. Ein verdächtiges Auto parkte auf einem Feldweg zwischen Lauben, an der Seite eine Antenne ausgefahren. Auf der Rückbank saß ein Mann mit Laptop. Wem lauschte er: den Laubenpiepern oder der Vogelwelt. Derweil zogen zwei Blaumeisen meine Aufmerksamkeit an sich.

Das sind meine besten Blaumeisen bis hierhin. Mangels Vögeln, die sich noch präsentierten, bedachte ich ein Eichhörnchen mit Speicherplatz und Akkulaufzeit. Es gibt Menschen, die finden Eichhörnchen interessanter als Vögel.

Ich ziehe Vögel vor und kann nicht erklären, warum.

Weg mit den Kranichen!

Der Unterschied zwischen „weg“ und „Weg“ ist geringer als man denkt. Ich habe mich auf den Weg gemacht und war weg von zu Hause. Ich war also weg und auf demselben. Im gestrigen Fall auf dem Wanderweg „Salzweg“ bei Storkow in Brandenburg. Mein Eindruck: Brandenburg beherbergt mehr Kraniche als asylsuchende Menschen. Die Fluchtdistanz der Kraniche ist leider sehr hoch. Daher sind meine Fotos aus sehr großer Distanz nicht brillant.

Manches Mal hatte ich den Mut, das Maximum an Annäherung auszureizen. Doch ohne Tarnung scheucht man sie schnell auf und sie machen sich auf den Fluchtweg und sind weg.

Der Wanderweg ist gut beschrieben auf https://wanderwegtester.de/wanderung-auf-dem-salzweg/

Meinen Weg kreuzten so manche Vögel (Achtung Auflistung): Hausrotschwanz, Buchfinken, Kiebitze, Kraniche, Graugänse, Kranichpaar mit Jungvogel, Kranich, Kranich, Rohrdommel (nur gehört), Rohrweihe, Kraniche, Schafsstelze, Stare, Storch und wieder Kraniche. Es gibt also mehr Kraniche als andere Vögel in Brandenburg wie mir scheint.

Am Wegesrand fand ich auch kleinere Flugobjekte und weniger scheue Säugetiere.

Von scharfen Hunden weggebellt wird man in Philadelphia (Brandenburg), weshalb dieses Tier mit kleinen Rachegefühlen unscharf dargestellt wird.

Also „weg mit den Kranichen“ erweist sich als Satz, der auf mehreren Ebenen als wahr bezeichnet werden kann. Der Wanderweg sei zur Beschreitung empfohlen, damit mehr menschliche Besucher den Weg nach Brandenburg finden. Ist doch schön dort!

Von der Fluchtdistanz der Reiher und der Ignoranz der Menschen außerhalb meiner eigenen Blase

Luftdruck in Berlin 757 Bar. Saharastaub dämpft das Licht. Er liegt stumpf auf den Lackschichten der Autos. Nachtigall- und Mönchsgrasmückengesang irritieren den Hörer. Zu früh, um die Botschaft zu glauben. Tagetes keimen nach vier Tagen. Ein Eichhörnchen lässt sich aus dem Essigbaum nicht mehr vertreiben. Waldbrettspiele suchen Gras. Die Nachbarin sagt, die Weide macht Dreck, der sich in der Lüftung ihres Autos festsetzt. Die Weide wünscht sie sich weg. Im Gegenzug trete ich den Grünen bei. Zwei Graugänse brüten stur auf der Weide, auf der keine Kühe grasen, aber Hunde rasen. Anderenorts haben Graugänse bereits Küken, aber ich nur das kleine Teleobjektiv aufgespannt.

Die Stare entschwärmen sich im Streit. Im Buchladen findet sich trotz Fernglas kein gutes Buch als Geschenk für die Kollegin. Auf einer Bank sitzen zwei junge Frauen oder Mädchen, was ohne Defintion schwer zu entscheiden ist: Wann ist ein Mädchen eine junge Frau. Das frage ich mich nur, weil ich mich wundere, dass sie den Graureiher nicht bemerken oder ihnen dieser Teil der Gegenwart egal ist.

Graureiher haben eine hohe Fluchtdistanz. Fünfzig Meter weiter greife in die Bremsen. Der nächste Reiher, der kaum habe ich ihn im Fokus, auch flüchtet.

Doch da ist noch einer, den ich erst bemerke, als der andere entflogen war. Der hält in Ruhe Ausschau.

In meinem Rücken Nordic Walker. Ich sehe die mächtigen Füße des Reihers und bewundere die geräuschlose Eleganz dieser Vögel im Kontrast zum Klacken der Stöcke der keuchenden Passanten. Ein Junge fragt seine Mutter: „Was gibt es da zu sehen?“ Die Mutter im Ton der Selbstverständlichkeit: „Wasser. Und Entengrütze.“ Fort sind sie, doch der Reiher linst immer noch auf der Suche nach einem Fang. Dann ist der Akku der Kamera leer.

Alle meine Geister – Felle

Es gibt Gegenstände, die aufgeladen sind. Andere Dinge sind leer. Beispielsweise die Plastikflasche mit Mundwasser, obwohl sie noch Inhalt hat. Doch das ist der intendierte Inhalt: Mundwasser. Die aufgeladenen Gegenstände haben etwas akkumuliert, das außerhalb ihres Zweckes liegt. Oft liegen sie im Verborgenen, spannungslos, bis eine mentale Anode an ihre Kathode gehalten wird. Die Füchse. Gegen Ende der Lektüre von Uwe Timms „Alle meine Geister“ erinnerte ich mich schlagartig an die Fuchsstolas, mit denen ich als Kind gekuschelt habe.

Woher kamen sie, wessen waren sie, warum gab man sie dem Kind? Erinnerung: das Fell war interessanter und weicher – echter – als meine Kuscheltiere. Zwar blickten die Füchse mit ihren Plastikaugen ebenso seltsam kalt in die Welt wie die Steiff-Tiere, aber es umgab sie eine Aura der Echtheit, des Gewesenen, des Gelebten und nicht des Konstruierten. Im Gegensatz zu den Pelzmänteln meiner Mutter, die ich aus Scham in die Altkleidersammlung gab, weil sich Pelze nicht mehr gehören, sind diese Füchse erhalten geblieben, im Asyl des Kartons meiner Kuscheltiere, der bis heute in der Dachkammer steht.

Urlaub 1982 an der Nordsee mit den Eltern. Ein weiterer Geist: eine Robbe im Kleinformat. Kuscheln wollte ich mit der kleinen Robbe. Meine Erinnerung nach gab es zwei Robben aus echtem Seehundfell. Wo blieb die andere Robbe?

Er wollte sich „dem Lebens des genauen Wahrnehmens und der Aufmerksamkeit, die […] das natürliche Gebet des Seele sei, verschreiben um in Wahrheit mit ihr zu leben. “ (Uwe Timm: Alle meine Geister, Seite 90). Ist das der Grund, warum ich versuche, vergangenes oder potentiell bald gelebtes Leben festhalten, zu erinnern. Ist das nicht der ursprüngliche Sinn der Fotografie wie der Malerei wie des Schreibens?

Diese Maus lebt nicht mehr. Ich hatte ihr eine Falle gestellt, sie verführt mit Käse. Sie hatte sich zu weit vorgewagt bis an den Mülleimer in der Küche und dort nächtliche Schmause gehalten. Nun setzt der Mörder ihr ein virtuelles Denkmal, um dem Tod einen vermeintlichen Sinn zu geben. Denn wer wird damit getröstet? Die Maus sicher nicht. Wie kann ein totes Wesen so niedlich daher kommen – so auch die Robbe und die Füchse.

Das Stichwort Felle spült die Fotos dieses Tieres in diesen Beitrag.

Woran erkennen wir die Lebendigkeit dieses Tiers? Am letzten Foto.

Die ersten Insektenfotos des Jahres 2024

Mein Verdruss ist stark: Die Programme meiner Kamera können besser fotografieren als ich. Das war ich:

Und das war die Automatik der Kamera:

Waldbrettspiel am Schneeball, das war ein schöner Fang. Nebenbei geriet noch eine Fliege in den Fokus.

Tulpen und Fliegen sind eine Kombination, die mir erst heute ins Auge sprang.

Die Kohlweißlinge entwischen mir, aber Tagpfauenauge und Zitronenfalter habe ich registriert.

Spiel mit dem Licht – Hortensien

Ich erinnere mich an Schattenspiele im Spreewald. In der Mitte des zehnten Monats. Egret ist ein Anagramm von regret. Nein, es fehlt ein Buchstabe. Reiher saßen wie Galgenvögel in den Bäumen. Schildkrötengleich mühte sich unbeirrt ein Mähroboter seinen Weg über die Wiese. Rote Pilze splitterten auf den Feldern. Auf dem Sideboard vor dem Spiegel erblasste eine Hortensienblüte. Wie konkret sind die Bilder der Erinnerung?

Aus welcher Richtung kommt das Licht, wenn wir uns erinnern? Erinnerung ist nicht Substanz, sondern Konstruktion eines Gerüsts, Ader eines Laufs und löchrig wie verwelkte Blüten. Sie verliert die ursprüngliche Farbe, die die Gegenwart hatte. Aber ihre Glieder reichen weit.

Stattdessen – Vogelfotografie

Wenn man Vögel fotografieren will, passiert es zuweilen, dass sie wegfliegen, kurz bevor man auslöst. Dabei entstehen Fotos, die man nicht im Sinn und im Blick hatte, weil ich ja den Zilpzalp hörte und einfangen wollte. Wie diese:

Die Äste – man bemerkt sie ja sonst nicht, unbelaubt wie sie sind, in ihrer je individuellen Anordnung, je nach Strauch- oder Baumart. Die Schwanzmeise auf dem letzten Foto war wenigstens so gefällig, sich nicht außer Sicht zu entfernen.

Manches Mal ist man nicht schnell genug, dann entsteht ein Gerhard-Richter-Effekt, wie bei dieser Elster.

Aber es gibt ja auch noch Vögel mit einer niedrigen Fluchttendenz.

Bokeh – warum das schön ist

Endlich darf ich einen aus dem Japanischen abgeleiteten Begriff verwenden. Ich kann doch kein Japanisch, außer den Songtext von Queens „Let us cling together“ vom Album „A Night at the Races“. Bokeh leitet sich also von „boke“: japanisch „unscharf, verschwommen“ her. Mit der Unschärfe des Hintergrunds wird das vordergründige Motiv hervorgehoben. So wie bei diesem Sperling.

Oder wie bei diesem Eichelhäher.

Besonders schöne bei dieser Elster.

Nicht gemeint sind verrissene Bilder wie dieses, auf denen alles unscharf ist:

An diesem Tag der verschiedenen Schärfen hat mir ein Buntspecht den besonderen Gefallen getan, sich lange zur Schau zu stellen.

Der Schwarzdorn zog die Bienen an.

Zeit für die Wasserspiegelungen war auch noch am 19.03.2024 in Berlin.

Neun von zehn Vögeln, die mir begegnen, sind derzeit Kohlmeisen.

Zunächst hielt ich den weit oben tobenden Vogel für einen Neuntöter, der noch gar nicht hier sein dürfte. Auf dem Computer entpuppte er sich als normaler Eichelhäher.

Nach so vielen Treffern wollte ich dann auch der Ringeltaube die Ehre erbieten.

So viel Bokeh war am Ende gar nicht. Es war einfach eine schöne Mittagspause mit und jenseits der Kamera.