Siebenmaul-Zeit – Zwei Buntstifte für eine Blaumeise – Ein Anagramm

Just heute Abend sah ich jemanden, der das Verdeck seines SMART-Cabrios mit einer Fusselbürste abrieb. Es ist interessant und befremdlich zugleich, wie unterschiedlich die Vorstellungen der einzelnen Menschen von Ordnung sind. Siebenmaul-Zeit ist ein Beispiel für eine Un- und Neuanordnung mit dem Sinn, keinen Sinn zu schaffen, sondern Verwirrung. Wer dieser Tage aufmerksam in Berlin lauscht und schaut, wird den blau-gelb gekleideten Trupps gewahr, die über und in Büschen, in Bäumen und sogar über Dächern hinwegziehen. Ich selbst sah drei Banden an verschiedenen Orten in Berlin innerhalb der letzten 48 Stunden. Parus caerulus caerulus hat aller Orten seine Kinder aus der Höhle geholt. Kaum im Blick zu behalten, dieser sehr lebhafte Kleinvogel der Baum- und Strauchregion. Ist ständig in Bewegung und rufend und daher schwer zu fixieren (zitiert nach Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 13/1 4. Teil, Seite 581). Ich konnte deshalb nicht ausmachen, ob es sich um zwei oder vier Jungvögel handelte.
So ein just dem Nest entflogener Jungvogel wiegt so viel wie zwei unbenutzte Buntstifte und sieht aus wie Gonzo aus der Muppet-Show.

Von den ausgeflogenen Jungen erreichen in Mitteleuropa rechnerisch nur etwa 15% die nächste Brutsaison. Bei meinen Beobachtungen hatte ich den Eindruck, dass die Jungvögel, die am lautesten Rufen und schon am besten fliegen, am meisten beachtet werden. Wie bei den Menschen.

Die Eltern bemerkten mich beim Fotografieren. Kein Wunder – ich hatte ein weißes Hemd an. Jonathan Franzen wäre empört – ein Kardinalfehler bei der Vogelbeobachtung. Zu allem Unglück folgte mir auch noch mein Kater aus Neugierde oder um nicht zu verpassen, falls ich ins Haus zurückkehre und am Futternapf vorbeiginge. Die Blaumeisen interessierten ihn jedenfalls überhaupt nicht. Doch aber achteten die Blaumeisen auf ihn, denn sie flogen ihn an wie tollkühne Flieger im Ersten Weltkrieg. Gemessen an ihrer Größe sind Blaumeisen überproportional aggressiv.

Siebenmaul-Zeit ist also nur ein Anagramm für Blaumeisen-Zeit. Die Blaumeisen brüten in der Regel nur einmal im Jahr. Vielleicht ist das der 15%-Vogel, den ich nächstes Jahr wiedersehe. Ciao bella!

Lerche, ich werde dich rupfen

Dieser Beitrag handelt von der Feldlerche. Ich wollte endlich wieder etwas schreiben und zeigen, was nicht schon überall steht und bekannt ist. Ja, ich bin stolz darauf, zum ersten Mal eine Feldlerche in freier Flur fotografiert zu haben. Doch muss man ja nur google-lens mit meinem Foto füttern, dann bemerkt man – ich bin kein Pionier auf dem Gebiet der Lerchen-Fotografie. Ich schlug meine Bücher auf und fand doch nicht viel mehr erzählbares über die Feldlerche, was nicht auch jeder auf wikipedia finden und lesen kann. Ich erinnerte mich an eine Postkarte aus Russland mit der Illustration einer Lerche. Aber gefehlt – die Postkarte zeigt eine Haubenlerche. Da ich schon meine Postkartensammlung aufgeschlagen hatte, hielt ich nach einer Briefmarke Ausschau. Siehe da – Luxembourg hat 2020 eine Briefmarke mit einer Feldlerche herausgegeben.

cof

Mir schoss eine Melodie ins Gehirn, etwas aus der Kindheit, als ich den französischen Namen der Feldlerche las. Alouette….gentile Alouette – das haben wir doch in der Schule singen müssen. Worum ging es da nochmal? Wikipedia weiß es (und schon schreibe ich doch etwas weithin Bekanntes, aber mir eben Neues)! Dieses Volkslied beschreibt das Rupfen einer Lerche. Darüber hatte ich mir als Kind keine Gedanken gemacht!! Ja, diese Vögel sind verzehrbar. Gleichwohl – wenn es schon schwierig ist sie zu fotografieren, dann erst recht, sie zu schießen. Eine Waffe habe ich nicht, aber einen Fotoapparat, und es war mir vergönnt, auf zwanzig Meter an die folgende Lerche heranzukommen, während sie mir den Gefallen tat, drei Minuten zu singen und sich dabei auf einen Pfahl zu setzen. Et voilá – un gentile Alouette.

Einige Fotos vom Flug sind mir auch noch gelungen, allerdings noch weniger scharf als die vorangestellten Fotos.

Turmfalke auf Tour in Berlin

Hier ist mein Turmfalke, den ich im Winter oft fotografieren konnte, auf Tour an den Stromkästen und Plakaten in Berlin. An jeder Ecke eigentlich steht ein Stromkasten, man lernt einiges über Infrastruktur, wenn man Falken klebt. Jeder Stromkasten ist besprayt – vor allem von Fans des kleinen Fußballvereins aus West-Berlin. Die Fotos mit dem Werbeplakat für Unterwäsche an der Bushaltestelle im Hintergrund waren mir zu -wie soll ich sagen- dämlich. Das trifft es nicht: nicht spannend, obwohl ich Erotik und Vögel spannungsvoll finde. Ich will aber keine Werbung für … und für Photoshop machen. Sondern irritieren.

Für den deutsch-französischen Fernsehsender wäre das folgende Foto eigentlich eine schöne Werbung.

Will aber den Autoverkehr vor einer Grundschule darauf aufmerksam machen, dass Kinder die Straße kreuzen. Turmfalkenauge ist wachsam.

Spitzenfleck und Zwergtaucher – Neue Begegnungen

Es ist schön, in den Garten zu gehen und etwas Neues zu entdecken. Die Spitzenfleck-Libelle (libellula flavia). Eine junge weibliche Libelle, die erst mittags fliegt. Was sie an dem Stab, an dem die Monstera vor sich hin kümmert suchte? Sonne.

Abends dann schlich ich über die Wiesen, über die die Elstern fliegen und manchmal auch der Turmfalke. Mehr Hunde waren unterwegs als Vögel. Die Vögel haben auch mehr zu tun. Ich sah einen Star, der einen Regenwurm auf einem Holzbalken ohnmächtig schlug, damit er nicht so zappelt auf der weiteren Beutestrecke, schließlich ist noch Platz im Schnabel.

Am Teich angekommen, fiel mir ein kleiner Vogel auf, der abtauchte und verschwand. Fand ihn nicht wieder. Dafür flog der Graureiher aus dem Schilf auf, den ich nicht gesehen hatte. Dass die so empfindlich sind, diese großen Vögel. Der Taucher tauchte wieder auf. Ich hielt ihn für ein junges Teich- oder Blässhuhn.

Laut wikipedia ist er ziemlich gewöhnlich, wird aber oft übersehen, eben weil er für ein Entenküken gehalten wird und überdem auch scheu ist. Der Schnabelwinkel soll laut Kosmos-Vogelführer gelb sein – auf jeden Fall handelt es sich um ein männliches Exemplar. Vielleicht im Übergang vom Schlichtkleid zum Prachtkleid. In Berlin im Winter eher nicht anzutreffen. Und da taucht er ab:


Der Frühling bringt die Libellen und den Zwergtaucher. In diesem Beitrag fehlt zum Frühling noch…. die Nachtigall.

Den Gesang kann sich in der Hauptstadt der Nachtigallen jeder selber vors geistige Gehör bringen. Zu guter letzte fehlt noch etwas Gelb in dem Reigen. Der kommt von der Gartenkreuzspinne.

Das war ein Nest mit jungen Kreuzspinnen, die im nächsten Jahr erst groß sind und ihre Radnetze in meinem Garten spinnen werden. Denn man tau!

Gravelot und Plover – Der mit den gelben Augenringen -Flussregenpfeifer

Wer möchte denn so heißen: Flussregenpfeifer. Im Englischen und Französischen klingen die Namen niedlich: Little Ringed Plover und Petit Gravelot. Plover & Gravelot wäre auch ein guter Name für eine Firma, die Lederwaren herstellt oder für einen Zeichentrickfilm. Nun handelt es sich aber um einen possierlichen Vogel. Ich zitiere: „Sein Anblick im Laufen ist erheiternd. In steifer Haltung schnurrt er auf dem Boden so schnell dahin, daß die Augen den Bewegungen der Füßchen nicht folgen können – wie ein aufgezogenes kleines Spielzeug. (…) Sein Nest ist eine flache Mulde im Boden, die er mit seinem Körper aushöhlt, wobei er angeschwemmten Kies und Geröll bevorzugt. Wenn die Nistmulde an einer sumpfigen Stelle liegt, legt er sie mit Steinchen, kleinen Muscheln oder Holzstückchen und Halmen aus. Dadurch paßt sich das Nest vorzüglich seiner Umgebung an und kann nicht so leicht entdeckt werden (Das große Vogelbuch in Farbe, Seite 147, 1977). Die Eier in der Nistmulde am Boden sind so gut getarnt, dass man sie eher zertritt als findet (Der Kosmos-Vogelführer, Seite 142).

Im Landschaftspark Rudow/Alt Glienicke habe ich zwei dieser dubiosen Vögel entdeckt.

Erheitert haben mich ihre Bewegungen nicht, obwohl die verniedlichende Beschreibung der Bewegung, wie oben zitiert, inhaltlich nicht falsch ist.

Ein kleiner Strauß Assoziationen – Goethe und der Admiral

Ich bin politisch nicht aktiv? Warum nicht? Weil ich am Abend des 1. Mai in meinem Garten spazieren gehe, statt für mehr Lohn zu demonstrieren. Dieser Beitrag darf aber als Demonstration für mehr schöne Assoziationen und mehr Brennnesseln verstanden werden.
Beim Lustwandeln rührte mich der kreisende Flug eines Admirals. Heute lese ich in meinen Büchern, dass Admirale typische Wanderfalter sind. Sie überwintern nicht in Mitteleuropa, sondern wandern aus der Mittelmehrregion im Frühjahr ein. Die neue Generation zieht im Herbst wieder zurück. Es war also ein Bote von jenseits der Alpen, der auf meinen Lupinen weilte.

Just heute fische ich eine Postkarte von Jacopo aus Italien aus meinem Briefkasten. Sofort stellt sich eine Verbindung her: Schmetterling aus dem Mittelmeerraum – Postkarte aus Italien – derselbe Weg.

In irgendeinem Momentum zwischen all diesen Ereignissen stoße ich bei dem „Dilettanten“ auf ein Goethe-Zitat: „„Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre“. Postkarte aus Italien – Goethe nahm sich ein Sabbatical in Italien – hin und her über die Alpen (obwohl mein Admiral auch aus Kroatien eingereist sein könnte): da erdet der Goethe meine Assoziationskette, meint – sieh‘ nicht zu viel hinter den Phänomenen.
Doch lese ich in meinen Büchern heute, dass der Admiral seine Eier vor allem an Brennnesseln ablegt. Habe ich ausreichend Brennnesseln im Garten stehen lassen? Diese Frage treibt mich heute wieder in den Garten. Erleichtert stelle ich fest: ja. Und frage mich trotzdem, warum der Admiral auf den Lupinen saß. Wieder erdet mich Goethe: Suche nichts dahinter! Es ist schön so.

Erstbegegnungen – bezahlt mit Sonnenbrand und Mückenstichen in Brandenburg

Naturlehrpfade, so habe ich den Eindruck, zeichnen sich dadurch aus, dass der Spaziergänger sehr viele Tiere sieht, aber alle auf Schautafeln – nur nicht in der Umgebung. So waren meine Gedanken als ich heute den NaturERLEBNISpfad der Sielmannstiftung in Köllnitz in Brandenburg entlang lief. Für die hungrigen Mücken war ich das Erlebnis des Morgens. Mein Ziel war der Aussichtsturm am Groß-Schauener-See, in der Hoffnung von dort aus Vögel beobachten zu können. Solche Türme eignen sich allerdings nicht zur Vogelbeobachtung, wie ich zum dritten Mal feststelle. Selbst ein Spektiv hätte mir nichts genutzt. Es war in diesem Moment kein Vogel in Sichtweite, außer den Staren, die auf dem Dach des Turms über meinem Kopf dem Wind trotzten und ab und an ins anliegende frisch bestellte Feld flogen. Dem Flug der Stare mit dem Blick folgend, bemerkte ich zwei helle Punkte auf dem braunen Acker. Erst zu Hause konnte ich feststellen, dass es sich um Feldlerchen handelte. Zu hören sind sie in den Wiesen allerorten und man kann sie auffliegen sehen. Aber ein Foto konnte ich noch nie machen.

Es gibt noch schlechtere Fotos von Erstbegegnungen am heutigen Tag. Ich habe zu Hause lange überlegt, ob es sich um einen Girlitz oder eine Goldammer handelt.

Ich habe mich für eine männliche Goldammer entschieden. Die Kraniche und Störche sind mir alle weggeflogen, bevor ich nah genug war.

Dafür flog mir dieser Vogel über den Weg, auch wenn die Fotos unscharf sind: Ich meine, es ist ein Schwarzmilan.

Nach zwei Stunden des Laufens über feuchte Wiesen, dem Lauschen des Kuckucks und der Schilfrohrsänger, die sich aber beide versteckt hielten, machte ich schon kehrt, da flog mir diese schöne Schafstelze über den Weg.

Belohnungen gibt es wohl immer erst zum Schluss. Denn diese Gans im Flug ist ein Glückstreffer.

Ein schönes Bild hatte ich aus Langeweile noch zwischendurch gemacht. AM Rechner dachte ich zunächst, ich hätte einen Popel auf dem Bildschirm oder auf der Linse gehabt. Ganz rechts fliegt eine Schwebfliege.

Sperlinge finden kein Korn mehr – Edisonstraße in Berlin

Es ist bekannt, dass Sperlingen mehr und mehr die Nahrungsgrundlagen fehlen. Die Effizienz der Landwirtschaft lässt kaum noch Korn auf den Feldern zurück. Auf den Straßen Berlins fahren keine Pferdefuhrwerke mehr, von deren Hinterlassenschaften und den unverdauten Bestandteilen die Sperlinge profitierten. Nun aber ist die Edisonstraße gesperrt. Nicht einmal Straßenbahnen fahren mehr, aus denen die Partygänger und Nachtschwärmer auf die Straße fielen und flüssiges Korn verschütteten.

Ein schwarzer Schatten wirft sich auf die Existenz der Sperlinge an der Edisontraße.

Entdeckungen – unbekannte Insekten

Es ist skandalös, wie die Autoren der Bestimmungsbücher mit manchen Insekten umgehen: diskriminierend. Die Insekten in diesem Beitrag finde ich in meinem Kosmos-Insektenführer gar nicht. Sie sind deshalb nichts besonderes, sondern wohl allzu gewöhnlich. Mir waren sie bislang unbekannt. Ich entdeckte sie, während ich etwas anderes im Sinn hatte. Ich ging am Ufer des Kietzer Sees entlang und obwohl ich seit einer halben Stunde in eine Richtung ging, kam es mir vor als ging ich im Kreis, da eine Gruppe Gänseblümchen mir zehn Minuten zuvor schon einmal aufgefallen war. Ich war über ein Deja-Vu gestoplert und fand den Stolperkäfer.

Später folgte ich dem Zwitschern der Feldlerchen über eine Heidefläche. Falter, so grau wie unscheinbar, flogen unter meinen Schritten auf und waren doch nicht grau. Klee- oder Gitterspanner werden sie genannt.

Unbedacht den Feldlerchen folgend stobte eine Gruppe Graugänse auf. Ich störte also das Gepräge der Heide und zog mich ins Unterholz zurück. Ein Rückzugsort für eine Pause. Dort sah ich, beide mit anderen Angelegenheiten beschäftigt, den Zangenkäfer.

Der war sehr in Eile und hielt nicht still, flog davon und ich stand allein im Wald. Auf einer Lichtung umschwirrte mich die Falkenlibelle.

Zum Ende meines Spazierganges traf ich endlich jemand bekanntes: Einen C-Falter.

Malchower See in Berlin – Wie ich das Augenduell mit dem Ganter gewann

Der Malchower See im Nordosten von Berlin liegt irgendwo zwischen Reihenhäusern, Plattenbauten, Schulhöfen und Kleingartenkolonien. Klingt nicht nach Natur. Die ersten Vögel die mir vor die Linse schwimmen sind dann Schellenten, die ich in Berlin noch nicht gesehen habe. Von meiner Vogelführung an der Müritz im letzten Jahr weiß ich noch, dass Schellenten als Nistplätze die Bruthöhlen von Schwarzspechten bevorzugen.

Kalt wie das Blau des Wassers war auch dieser Apriltag. Nachts Frost, morgens zwar Sonne, aber im Schatten zum Frieren. Aus dem Schatten heraus bedrohte mich ein Einwohner mit breiter Brust.

Ich war dankbar für seine Aufmerksamkeit und zog mich zwei Meter zurück. Seine Familie wurde neugierig. Ich schloss Bekanntschaft.

Ich wollte sie nicht weiter stören und zog von dannen. Die meisten Vögel entzogen sich aber meinem Objektiv. Ich schaute mir sehnsüchtig auf der Informationstafel an, was es zu sehen geben könnte.

cof

Eine fette Katze streunte gemächlich über eine Wiese hin zu grasenden Schafen. Ein verdächtiges Auto parkte auf einem Feldweg zwischen Lauben, an der Seite eine Antenne ausgefahren. Auf der Rückbank saß ein Mann mit Laptop. Wem lauschte er: den Laubenpiepern oder der Vogelwelt. Derweil zogen zwei Blaumeisen meine Aufmerksamkeit an sich.

Das sind meine besten Blaumeisen bis hierhin. Mangels Vögeln, die sich noch präsentierten, bedachte ich ein Eichhörnchen mit Speicherplatz und Akkulaufzeit. Es gibt Menschen, die finden Eichhörnchen interessanter als Vögel.

Ich ziehe Vögel vor und kann nicht erklären, warum.